Worte, die uns ins Drama Dreieck bringen können
Joseph Dillard, PhD
Unsere Sprache kann anzeigen, dass wir uns in einer der drei Rollen des Drama Dreiecks befinden. Es gibt Worte, die uns ins Drama Dreieck bringen, ob man sie sagt oder nur denkt. Wir können sie nicht verwenden, ohne aus dem eigenen inneren Gleichgewicht zu geraten und es ist besser, sie zu vermeiden oder zu ersetzen.
Signalworte für die Opferrolle
“kann nicht”
“Kann nicht” bringt uns in die Rolle des Opfers, weil wir damit ausdrücken “Ich bin machtlos, unfähig, hilflos“. Wenn wir „kann nicht“ sagen, erzählen wir uns nicht nur selbst „Ich bin ein Opfer“ sondern wir laden auch die Anderen ein, uns wie ein Opfer zu behandeln. Wenn wir “kann nicht” sagen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn andere Menschen entweder unsere Schwäche ausnutzen oder versuchen, uns zu retten. Im Grunde genommen kommen sie damit einer Aufforderung nach, die wir selbst mitgeteilt haben.
Menschen benutzen “kann nicht” häufig, wenn sie einer Einladung oder Bitte nicht nachkommen:” Ich würde ja so gern kommen, aber ich kann leider nicht“. Sind wir wirklich nicht in der Lage zu kommen? Ist die Wahrheit nicht vielmehr, dass wir nicht kommen wollen oder bereits eine andere Verabredung haben?“ Was hält uns davon ab, einfach zu sagen, dass wir andere Pläne haben?
“Konnte nicht” bringt uns ebenfalls in die Rolle des Opfers und wir teilen damit uns selbst und Anderen unsere Machtlosigkeit mit. „Ich wäre ja so gern gekommen, aber ich konnte nicht“. Nein! Natürlich hätten wir kommen können; es sei denn jemand hat uns eingesperrt und davon abgehalten.
Es ist besser anstatt “kann nicht” Worte zu benutzen wie “will nicht”, “möchte nicht”, “werde nicht“, “habe andere Wahl getroffen“, „anders entschieden“ Solche Worte mögen der Gewöhnung bedürfen, vielleicht scheinen sie uns zu stark oder zu mächtig. Das mag daran liegen, dass wir das Gefühl der Kraft nicht kennen! Wenn wir unsere Sprache ändern, wachsen wir in unsere Kraft hinein.
Es hilft, wenn ich die Menschen um mich herum bitte, mich darauf aufmerksam zu machen, wenn ich Worte wie „kann nicht“ benutze. Es wird allen dabei helfen, bei der Arbeit und im Privatleben eine Dramafreie Kultur zu schaffen.
Signalworte für die Rolle des Verfolgers
Immer
“Immer” bringt uns deshalb in die Rolle des Verfolgers, weil hier Perfektion gefordert wird. In der Realität gibt es aber keine Perfektion. Bereits ein einziges Gegenbeispiel kann das “immer” außer Kraft setzen. Das “Du kommst immer zu spät” kann ausgehebelt werden durch ein „Nicht letzten Dienstag, da war ich pünktlich“. Ein “Ich bin immer rücksichtsvoll” kann sofort widerlegt werden durch eine Gelegenheit, bei der man nicht rücksichtsvoll war.
Wenn wir “immer” sagen, vermitteln wir anderen Menschen, dass wir nicht genau zuhören, nicht mit uns diskutieren lassen, voller Vorurteile sind und unrealistische Perfektion erwarten, (auch von uns selbst!). Wenn wir oft „immer” sagen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn andere Menschen uns zurückhaltend begegnen und uns nicht gern ihre Gefühle und Meinungen mitteilen, weil sie fürchten, von uns ungerecht behandelt zu werden.
Lassen wir lieber das “immer”. Es ist besser, Worte wie „oft“, „häufig“, „gewöhnlich“ oder sogar „die meiste Zeit“ zu benutzen. Damit kommunizieren wir Selbstvertrauen ohne Rigidität. So vermitteln wir, dass wir selbstbewusst unsere Position vertreten können, unsere Meinung jedoch nicht unveränderbar zementiert ist.
Nie
Wie “immer” bringt uns auch das “nie” aus demselben Grund in die Rolle des Verfolgers: Es fordert Perfektion, die in Wahrheit nicht existiert. “Du bist nie zuverlässig“ kann leicht widerlegt werden durch ein einziges Beispiel der Zuverlässigkeit. „Ich bin niemals unfreundlich” kann widerlegt werden durch eine Gelegenheit, bei der man sehr wohl unfreundlich war.
Wir benutzen Worte wie “immer” und “nie”, weil diese unsere intensiven Gefühle ausdrücken. Es fühlt sich eben an wie “immer” oder “nie”. Und hier liegt das Problem: Diese Gefühle sind Reaktionen, sie sind zu intensiv, um genau zu sein, es mangelt ihnen an Glaubwürdigkeit und wenn wir Worte benutzen, die unsere heftigen Gefühle ausdrücken, dann verstärken diese Worte wiederum unsere Gefühle. Unsere Glaubwürdigkeit und Überzeugungsfähigkeit aber nimmt Schaden. Wenn wir unsere Sprache ändern und Worte benutzen, die weniger extrem sind, werden wir nicht nur ernster genommen, sondern erhalten gleichzeitig eine bessere Kontrolle über unsere Gefühle. Unsere Gefühle bestimmen dann nicht länger unser Leben und unser Glück und wir erzeugen keine heftige Abwehr in anderen, die uns wiederum unglücklich macht.
Wenn wir “nie” sagen, vermitteln wir anderen Menschen, dass wir nicht genau zuhören, nicht mit uns diskutieren lassen, voller Vorurteile sind und unrealistische Perfektion erwarten. Wenn wir „nie” sagen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn andere Menschen uns zurückhaltend begegnen und uns nicht gern ihre Gefühle und Meinungen mitteilen, weil sie fürchten, von uns ungerecht behandelt und belehrt zu werden.
Benutzen wir lieber Worte wie “kaum”, “unregelmäßig”. Auch hier zeigen wir damit, dass wir selbstbewusst unsere Position vertreten können, unsere Standpunkte jedoch nicht unveränderbar zementiert sind.
Schuld
Die Suche nach dem Schuldigen ist eine prima Beschäftigung für die, die sich verfolgt fühlen. „Ich bin in der Rolle des Opfers und irgend jemand ist daran Schuld!“ Die Suche nach dem Schuldigen ist eine Abwehrstrategie, mit der man den eigentlichen Fragen ausweicht. Die Suche nach der Schuld löst kein einziges Problem, sondern vergeudet Zeit, in der das eigentliche Problem noch schlimmer werden kann. Denn jetzt habe ich nicht nur ein Problem sondern zwei. Das erste Problem ist genau das, was ich mit der Beschuldigung aus der Welt schaffen möchte.: “Du hast schon wieder deine Unterwäsche überall auf dem Boden rumliegen lassen!“ Durch die Beschuldigung jedoch schaffen wir das zweite Problem: Eine gegenseitige Schnitzeljagd der Vorwürfe, die vom eigentlichen Geschehen ablenkt und ohne Lösung bleibt. Eine effizientere Bemerkung könnte lauten: “ Was könntest du tun, damit deine Unterwäsche in der Zukunft nicht auf dem Boden herumliegt?“
Wenn wir Kritik äußern möchten, können wir höflich etwas sagen wie: “Etwas, was du gemacht/gesagt hast hat mich wirklich geärgert/aufgewühlt/getroffen, aber mir geht es hier nicht darum, dass du Schuld hast, ich möchte mit dir darüber sprechen, damit das möglicherweise nicht noch einmal passiert…“ Die Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Andere sich zögernd bereit erklärt, zuzuhören.
Wem das zu mühselig ist und wer mehr Freude daran hat, Anderen ihre Schwächen nachzuweisen oder ihnen vorzuführen, dass sie etwas falsch gemacht haben oder an irgend etwas Schuld sind: Bitte nicht erstaunt sein, wenn diese Anderen nicht ehrlich sind, wenn sie etwas getan oder nicht getan haben, aus lauter Angst vor beißender Kritik. Nicht wundern, wenn die Anderen Ausschau halten nach unseren Fehlern und Schwächen, um sich zu „rächen“ für das, was sie für unfaire Attacken halten. Nicht erstaunt sein, wenn sie Abstand halten, um nicht verletzt zu werden und vielleicht nicht da sind, wenn es wichtig ist. Bitte nicht wundern, wenn sich Entfremdungserscheinungen in verschiedenen Beziehungen wiederholen: Es könnte sein, dass nicht der andere Mensch das Problem ist, sondern dass wir im Drama Dreieck hängen und die Schuld dafür lieber beim Anderen suchen als dafür zu sorgen, dass wir aus dem Drama Dreieck heraus kommen.
Südafrika setzte ein Beispiel für den alternativen Umgang mit Schuld: Am Ende des Apartheidsystems sah es davon ab, Schuldige zu verfolgen und zu bestrafen und berief stattdessen ein Komitee für Wahrheitsfindung und Versöhnung. Es ging darum, dass die Verfolger und Täter zu ihrer Verantwortung stehen und ihren Willen beweisen konnten, zur positiven Entwicklung ihrer Gesellschaft beizutragen. Ist es nicht das, worauf es ankommt? Macht es die Dinge besser, geht es jemandem besser, wenn die Schuldigen bestraft werden? Können wir wirklich jemanden zwingen, Verantwortung zu übernehmen? Geht es uns selbst wirklich deshalb besser, weil wir jemanden bestrafen können? Vielleicht fühlen wir uns gut, wenn die Täter ihre Strafe erleiden, aber geht es uns wirklich besser?? Oder nähren wir wiederum nur eine Kultur der Verfolgung , der Gewalt und der Schuld?
Wenn wir andere beschuldigen, beschuldigen wir den Teil in uns, den die anderen repräsentieren. Wir können im Grunde genommen keinen anderen mit Schuld verfolgen, ohne uns dabei selbst zu verfolgen. Wollen wir uns selbst verfolgen? Haben wir nichts Besseres als Verfolgung verdient??
Wenn wir andere beschuldigen, dann wächst die Wahrscheinlichkeit, dass andere uns beschuldigen. Wenn wir in einer Beziehung, einer Familie, einer Kultur leben wollen, in der wir Menschen beschuldigen und selbst beschuldigt werden anstatt nach Problemlösungen zu suchen, dann bleiben wir im Leid des Drama Dreiecks stecken.
Sollen
“Sollen” klingt nach schlechtem Gewissen, Eltern, Gott, Kirche, Verpflichtung, Autoritäten und Schuld. Wenn man Freude daran hat, sich selbst unzulänglich zu fühlen und sich und Anderen gern ein schlechtes Gewissen macht, dann muss man nur häufig genug die Worte „Du sollst“ und „Du sollst nicht“, „Ich soll“ und „Ich soll nicht“ benutzen!
Dieses gemeine, kleine Modalverb wird meist dazu benutzt, um Regeln und Gesetze durchzusetzen. Du „sollst nicht bei Rot über die Strasse gehen”, Du “sollst deine Zähne putzen“, Du „sollst deinen Eltern gehorchen“, Du „sollst in der Öffentlichkeit nicht furzen“. Wenn wir uns selbst sagen, dass wir etwas tun sollten, laden wir uns oft das volle Gewicht eines moralischen Werts auf unsere Schultern. Jeder Mensch kann von moralischen Werten profitieren. Wie wäre es aber mit selbstgewählten statt von außen auferlegten Werten? Wenn ich dann aus meinem eigenen, moralischen Wert heraus handele, dann deshalb, weil ich es für wirklich hilfreich halte und nicht, weil ich meine, ich „sollte“. Beginnen wir doch, uns zu fragen: ”Tue ich dies oder das, weil es hilfreich ist für mich und Andere, oder weil ich einem einprogammierten „sollte“ folge?
Aber wie sieht es aus mit all den Dingen, die wir tun müssen, aber vielleicht gar nicht wollen? Steuern zahlen, bei Gericht erscheinen, Zahnseide benutzen, zur Arbeit gehen, Vorgesetzten gehorchen? Zuerst einmal können wir uns deutlich machen, dass wir nichts davon tun müssen, die Alternativen aber vielleicht unangenehmer sind. Bei objektiver Betrachtung tun wir bestimmte Dinge nicht, weil es zu unserem eigenen Besten ist. Wir tun Dinge, weil es gut für uns ist. Wenn uns das einmal klar ist, kann ich selbstbestimmt entscheiden, dass ich Dinge mehr will als dass ich sie nicht will.
“Sollen” und “nicht sollen” erzeugen innere Widerstände, die es uns erschweren, die Dinge zu erledigen, auf die wir keine Lust haben, die es aber zu erledigen gilt. Wenn wir erkennen, dass wir sehr wohl eine Wahl haben und dass wir tun, was wir tun, weil es für uns oder jemand anderen hilfreich ist, verringert sich unser Widerstand. Manchmal verschwindet er sogar völlig. Wir können unser Leben dann produktiver und öfter außerhalb des Drama Dreiecks gestalten anstatt uns als unterdrückte Opfer zu fühlen, die dauernd etwas sollen und müssen.
Wenn wir “sollen” und “nicht sollen” benutzen, finden wir uns in allen drei Rollen des Drama Dreiecks wieder: Nicht nur erleben wir uns selbst als hilfloses Opfer, sondern wir wähnen uns natürlich auch verfolgt von allen, die wollen, dass wir etwas sollen oder wollen sollen : Mitarbeiter, Vorgesetzte, Stadtverwaltung, Polizei, fremde Autofahrer, unsere Eltern, unsere Regierung, unsere Partner…..Sogar unsere eigenen Kinder erleben wir auf diese Weise als Verfolger, wenn wir meinen, wir „sollten“ ihnen bei den Hausaufgaben helfen und wir „sollten“ dafür sorgen, dass aus ihnen anständige Erwachsene werden. “Sollte”” hat auch die Funktion, uns vor Schuld- und Schamgefühlen zu retten, denn wenn wir tun, was von uns erwartet wird, dann sind wir ohne Schuld und werden nicht bestraft. Dieser Mechanismus wird seit ewigen Zeiten von Eltern zur Erziehung ihrer Kinder genutzt. Sobald die Tyrannei des “Sollens” verinnerlicht ist, übernehmen Kinder die Verfolgung selbst und erleichtern Mama und Papa, Lehrern und Autoritätspersonen aller Art die Arbeit. Die Gesellschaft funktioniert problemlos, wenn ihre Mitglieder Gesetze einfach befolgen und Autoritäten nicht in Frage stellen, was den Herrschenden oft freie Bahn ermöglicht.
Müssen
“Müssen” heißt, “Denk gar nicht erst darüber nach, zweifle nicht daran, stell keine Fragen, mach einfach , was dir gesagt wird.“ Du “musst” enthält aber auch eine doppelte Botschaft. Beim Militär , zum Beispiel, “musst” du deinen Vorgesetzten gehorchen. Falls du das nicht tust, drohen schlimme Konsequenzen. Wenn deine Vorgesetzten dir aber etwas befehlen, das illegal ist, wie zum Beispiel die Folter und du wirst erwischt, dann wirst du dafür bestraft, nicht unbedingt deine Vorgesetzten. Wenn du deine Hausaufgaben machen “musst”, um in die nächste Klasse zu kommen, dann läufst du Gefahr, dich dein ganzes Leben lang wie einen Esel mit Stockhieben vorwärts zu treiben. Was hast du davon, wenn du dich selbst unter dauernden Stress setzt? Deinen inneren Frieden wirst du nicht finden.
Wenn wir “müssen” benutzen, bringen wir uns in eine ähnliche moralische Zwangslage. Es kommt garantiert eine “lose-lose”-Situation dabei heraus, in der wir uns so oder so schlecht fühlen. Wenn wir anderen mit “müssen” begegnen, werden wir garantiert als Verfolger erlebt. Mit höchster Wahrscheinlichkeit werden die Anderen uns ablehnen und dem von uns Geforderten mit passivem oder aktivem Widerstand begegnen. In jedem Fall bedeutet es, dass die Aufgabe nicht gut erledigt werden wird. Eltern erleben das häufig mit ihren Kindern und wundern sich dann.
Was aber tun, wenn etwas wirklich getan werden muss? Wie vermeiden wir die eben beschriebenen Probleme? Kindern gibt man am Besten etwas Unwiderstehliches zur Wahl: “Würdest du lieber deine Hausaufgaben machen oder im ganzen Haus Staub saugen? ” “Möchtest du lieber dein Zimmer aufräumen oder die Badezimmer putzen?” Bei Erwachsenen lässt sich darauf hinweisen, dass es sich um einen Teil der verabredeten Arbeitsleistung handelt. Mit einem Partner kann ich beiläufig Konsequenzen erwähnen: ”Du musst nicht hinter dir aufräumen, wenn du nicht willst genauso wenig wie ich kochen muss, wenn ich nicht will.“ Vielleicht kein sanfter Wink, aber wahrscheinlich wird die Botschaft ankommen. Falls wir der Erpressung beschuldigt werden, können wir fragen: “Was hältst denn du für angemessene Konsequenzen, wenn du hinter dir selbst nicht aufräumst?”
Aber
Es gibt gute Gründe gibt, dieses Wort zu benutzen. Wenn es allerdings zwei Sätze voneinander trennt, verneint es das vor dem „aber“ Gesagte. Wenn wir sagen “Ich bin sehr aufmerksam , aber ich kann sehr wichtige Dinge vergessen“, was sagen wir dann eigentlich? Im Grunde betonen wir dadurch das Vergessen wichtiger Dinge. Gleichzeitig versorge ich die andere Person mit einer Information, die sie ausnutzen kann, falls sie an mir etwas zu kritisieren hat. Wenn wir sagen “Ich liebe dich, aber ich kann es einfach nicht ertragen, wenn du zu spät kommst,” was sagen wir dann wirklich? Wir sagen, dass unsere Intoleranz wichtiger ist als unsere Liebe! Nebenbei lehren wir die andere Person noch, was sie tun muss, wenn sie uns so richtig auf die Palme bringen will.
Wenn wir auf diese Weise “aber” benutzen, widersprechen wir dem, was wir gerade vor dem „aber“ gesagt haben. Das ist nicht nur verwirrend und verrückt, sondern es ist entweder eine Form der Selbstverfolgung oder der Verfolgung der anderen Person. Manchmal drehen wir das Ganze auch herum, um die Wirkung einer Kritik etwas abzumildern: ”Du bist ein richtiger Arsch, aber ich liebe dich trotzdem.“ Das ist ein Kompliment mit einem Haken: Wir sind dennoch in der Rolle des Verfolgers und der andere wird zum Opfer unserer Verfolgung.
Entweder also mischen wir mit so einem “aber” Pfeffer in den Honig unserer Worte oder es dient dazu, uns ehrlich und aufrichtig erscheinen zu lassen, in dem wir mit ihm die bittere Medizin versüßen, die wir gerade austeilen. So oder so: Es funktioniert fast nie. Wir senden lediglich eine ambivalente Botschaft. Was also tun?
Warum entledigen wir uns nicht dieser “aber” und benutzen stattdessen das Wort „und“? Wir könnten doch einfach sagen:” Ich bin ein aufmerksamer Mensch und ich kann wirklich wichtige Dinge vergessen.“ Wie wäre es mit: ”Ich liebe dich und ich kann es nicht ertragen, wenn du zu spät kommst.“? Wir könnten sogar sagen. “Du bist ein richtiger Arsch und ich liebe dich sowieso!“?
Schon wenn wir solch ein kleines Wort verändern, werden wir bereits klarer und können mit größerem Selbstvertrauen sprechen. Es ist ein weiterer kleiner Schritt, der uns hilft, aus dem Drama Dreieck heraus zu bleiben.
Signalworte für die Rolle des Retters
“nötig haben” und “brauchen”
“Brauchen” und „nötig haben“ hören sich erst einmal an wie hilfreiche und ehrliche Worte. Es ist nötig, Dinge zu erledigen, es ist nötig, die Hausaufgaben zu machen, es ist nötig, sich Ziele zu setzen, es ist nötig, anderen zu helfen, es ist nötig, achtsam zu sein. Wenn aber etwas nötig ist, wer braucht da eigentlich was? Ich selbst oder der Andere?
Wenn wir sagen, “Dein Zimmer hat Aufräumen nötig!”, oder „Dein Zimmer braucht jemanden zum aufräumen!“, dann bieten wir uns als Hellseher an. Meinen wir in Wahrheit nicht, dass unser Kind sein Zimmer aufräumen soll? Wenn das so ist, warum sagen wir das nicht? Wir sagen es deshalb nicht, weil wir “nett” sein wollen.” “Dein Haar braucht dringend einen Schnitt!“, ist keine sensible Einfühlung in die Bedürfnisse des Haares oder dessen Träger, sondern heißt in Wahrheit „Ich will, dass du endlich zum Friseur gehst, weil ich sonst Angst habe, dass mich alle für eine schlechte Mutter halten!“ Stattdessen verbreiten wir verwirrende Freundlichkeit, Unehrlichkeit und lassen den anderen im Unklaren über unsere Motive. Klar ist, dass unsere Sprache hier anzeigt, dass wir die Retterrolle eingenommen haben!
Das gilt sogar dann, wenn wir sagen: ”Er braucht meine Hilfe” oder “Ich brauche deine Hilfe.“ Was wir im Grunde meinen ist doch “Er möchte meine Hilfe” oder “Ich möchte deine Hilfe”.
Wenn wir “brauchen” sagen, dann ist das auch eine Einladung an den anderen , in die Retterrolle zu klettern. „Ich brauche dich so sehr!” „Ich brauche wirklich deine Hilfe!” Musst du wirklich gerettet werden oder möchtest du Hilfe? Wenn du behauptest, du brauchst Rettung, dann drückst du damit eigentlich aus, dass du im Drama Dreieck in der Opferrolle stecken bleiben musst. Wenn du aber sagst, du möchtest Hilfe, dann könntest du wirklich Hilfe und Unterstützung erhalten, statt eines Rettungseinsatzes. Versuche es mal mit dem Wort „möchte“. Es fühlt sich vielleicht ein bisschen unangenehm an, weil es direkter ist. Es ist aber nicht nur viel kraftvoller, sondern auch zuversichtlicher und es vermittelt ein ehrliches Bedürfnis.
Allerdings kann man “brauchen” und “möchten” gleichermaßen missbrauchen, um sich zu rechtfertigen, dass man jetzt eine Zigarette „braucht“ oder „möchte“ oder einen Kasten Bier oder eine Tüte Chips, wobei man sich dabei in der Opferrolle sieht, vom Leben verfolgt, und in der Retterrolle die Zigarette, das Bier, die Chipstüte oder was auch immer und man sich somit mitten im Drama Dreieck befindet. In solchen Fällen handelt es sich beim “brauchen” um eine kognitive Fehlwahrnehmung: Natürlich „brauchen“ wir keine Substanzen oder Beschäftigungen, die uns umbringen. Wir „möchten” sie nicht einmal wirklich, wir erliegen nur der Täuschung unseres starken Gefühls und der Abhängigkeit. Wenn wir hier wiederholt von “brauchen” und “möchten” sprechen, verstärken wir unsere emotionale und körperliche Abhängigkeit mehr und mehr. Es hilft, stattdessen Worte zu verwenden, die unsere Vorlieben ausdrücken aber nicht so intensiv sind: “ Ich hätte gern Schokolade”; “I fände es schön, wenn du wiederholen würdest, was ich gesagt habe, damit ich weiß, ob ich mich klar ausgedrückt habe.“
Da es sich bei Abhängigkeiten emotionaler oder körperlicher Art um kognitive Fehlwahrnehmungen handelt, ist es besonders wichtig, die Sprache im eigenen Denken zu verändern und „Ich brauche“ zu ersetzen und sich vor allem zu fragen: „Brauche oder möchte ich etwas so sehr, dass ich dafür in die Opferrolle des Drama Dreiecks springen möchte? Bin ich wirklich ein Opfer?“
Das Problem ist natürlich auch hier, dass uns “brauchen” in alle drei Rollen des Drama Dreiecks bringen kann. Da hier eine gewisse Zwanghaftigkeit am Werk ist, geraten wir leicht in die Rolle des Verfolgers. “Ich brauche unbedingt sofort deine Hilfe.“ Wenn wir uns verfolgt fühlen von unserem Gefühl, Heroin zu „brauchen“ sind wir in der Rolle des Opfers. Wenn wir anderen helfen, weil die es unbedingt „brauchen“, sind wir wahrscheinlich in der Rettterrolle.